Ein Kapitel geht zu Ende …

26 Jahre habe ich in Neu-Ulm gewohnt, 4 weitere in Ulm.
„30 Jahre — ein halbes Erwachsenenleben“ sagte mir ein Freund und damit hat er Recht.

30 Jahre – ist das nun zu lange oder zu kurz? Zu lange, um wirklich Abschied nehmen zu können und alles hinter sich zu lassen. Abschied …
– vom Zuhause in dem die Kinder groß wurden
– von den Freunden, die mir ans Herz gewachsen sind
– von den Nachbarn, Straßen, Plätzen, Märkten, Festen
– von Orten die mir besonders ans Herz gewachsen sind; Wiesen, Wäldern und der Donau
– vom Blick auf die Alpen bei Föhn?

Ja, das geht und je tiefer ich sie verinnerlicht habe, desto leichter kann ich gehen, denn ich nehme etwas davon mit und trage es mit mir.

Zeit als, noch einmal woanders neu anzufangen, um mich noch einmal an einem anderen Ort neu einzuleben, neue Freunde zu finden und Orte, an denen ich gerne bin, neue Feste zu feiern und neuen Menschen zu begegnen. Und nicht zuletzt, um neuen Aufgaben entgegen zu sehen und sie in Angriff zu nehmen.

Das Abschied-Nehmen von den Dingen, die ich gerne hinter mir lasse

Das gehört auch dazu und ist wohl nun einfacher möglich: sich von den Dingen, Ereignissen und Erinnerungen zu trennen, die auch dazu gehörten und an die ich mich nicht so gerne erinnere:
Die Anfänge von Corona vor ca. 3 ½ Jahren, als ich im Home-Office saß und trotz Kurzarbeit noch Überstunden aufhäufte (ja, das geht!). Es gab so viel zu tun, weil mein damaliger Chef den Unterschied zwischen „Home-Office“ und „mobilem Arbeiten“ nicht kannte. Ich hab‘ es ihm erklärt und stieß auf taube Ohren und lernte daraus. (Den Rest der sehr langen Geschichte habe ich woanders aufgeschrieben und kann nun loslassen 🙂 )

… ein neues Kapitel beginnt

Danach bin ich 2 Monate lang mit meinem umgebauten Auto (nun kann ich darin jederzeit bequem schlafen) durch Deutschland gefahren, habe meine erkrankte Mutter besucht, Seminare in Bielefeld und Heek (bei Münster) besucht, Freunde und Verwandte getroffen und Urlaub an der Ostsee, im Spreewald und im Erzgebirge gemacht. Ein gelungener Start in mein Sabbatical.

Sabbatical heißt AUS-Zeit

Um eine wirkliche Auszeit zu haben, habe ich keine von meinem ehemaligen abgesegnete (und befristete) Auszeit gewählt. Das hätte nämlich bedeutet, dass ich mich auf 3 oder 6 Monate hätte beschränken müssen. Doch eine Auszeit, in der ich ständig vor Augen habe, in X Tagen wieder am Schreibtisch sitzen zu müssen ist keine Auszeit. Eine Auszeit fängt mit einem „Aus“ an und dann habe ich Zeit … viel Zeit. Das nenne ich eine Aus-Zeit!

Und diese Auszeit hat mich durch halb Europa geführt:

  • mit dem Motorrad durch Kroatien, Slowenien, vom Großglockner bis nach Triest in einem Tag oder 1 Woche an der Algarve, nach Split und Zagreb oder den Wasserfällen in Krka
  • mit dem Auto zu zweit nach Portugal (während der Pandemie), was nur ging, weil wir im Auto schliefen und kaum Kontakt zu anderen Menschen hatten, im Wald oder am Fluss übernachteten und Ballungszentren konsequent gemieden haben
  • mit dem Motorrad durch die Vogesen, die Auvergne und Südwestfrankreich bis nach Carcassonne, weiter nach Andorra und Barcelona, auf dem Rückweg durch das franz. Jura
  • zu Fuß durch die Eifel
  • mit dem Rad die Donau entlang
  • nach Wien und Prag, durch den Bayerischen Wald und vieles mehr …

und es sind noch viele Ziele auf der langen Liste, Südostasien, Südafrika oder den gesamten amerikanischen Kontinent … doch das war dann doch nicht mehr drin und war auch gut so. Die Zeit dafür wird kommen …

Und wie geht es weiter?

Inzwischen bin ich umgezogen … knapp 500km von Neu-Ulm/Ulm entfernt nach Sachsen.

Ich arbeite in einer Bürgerenergie-Genossenschaft mit, engagiere mich im Klimaschutz und berate Freunde und Familie zum Thema erneuerbare Energien. Doch das alles bringt noch kaum Geld ein und so strecke ich die Fühler aus, knüpfe Kontakte und vernetze mich, um aktiv an der Energiewende mitzuarbeiten und damit meinen Lebensunterhalt zu decken.

Das Neueste: die erste 25kW-Anlage habe ich bereits mit auf’s Dach gestellt, betreue die IT und werde weitere Projekt mit gestalten. Nun stehen weitere Fortbildungen, Workshops und Seminare in einer sehr dynamischen Energiewende-Gesellschaft auf dem Programm. Langeweile kommt da keine auf …

Aus „Ich mache Energie“ wird „Wir machen Energie“

Wer ist wir?

 – Eine Gruppe von Bürgern, die nicht länger tatenlos zusehen wollen, wie sich Firmen und Konzerne am Energiemangel bereichern und „der kleine Mann / die kleine Frau“ leer ausgehen. Diese Gruppe hat sich als Genossenschaft einen Namen und eine rechtliche Gestalt gegeben, als
Bürger-Energie-Genossenschaft

Diese Genossenschaft wurde im Januar 2023 gegründet und hat inzwischen fast 100 Mitglieder (Stand Ende April 2023). Mehr Informationen hier

Welche Energie wird erzeugt?

Strom aus
 – Solarenergie im kleinen, mittleren und großen Maßstab (von Balkon-PV bis zu Großanlagen mit mehreren 100kW)
 – Windkraftanlagen im Eigenbetrieb
 – evtl. noch Biogas und Agrar-PV

Wie funktioniert das?

Eine Genossenschaft bildet den äußeren Rahmen um in einer gleichberechtigten Gruppe von Investoren Projekte zu verwirklichen und Anlagen zu betreiben.

Genossenschaft heißt: jede/r hat eine Stimme, ungeachtet des Umfangs der eigenen Investition.
Jede/r ist also gleich wichtig !

Innerhalb der Genossenschaft kann durch (unentgeltliches) persönliches Engagement zugearbeitet werden, bzw. Dienstleistungen können hinzugekauft werden oder durch eigene Firmen eingebracht werden, die auch die Haftung für die Realisierung und den Betrieb von Anlagen übernehmen.

Eine Gewinnausschüttung findet statt (sofern ein Gewinn erwirtschaftet wurde) in der Höhe der eigenen investierten Anteile.

Jede/r ist aufgerufen, aktiv am Geschehen teilzuhaben

Bei Großprojekten können zusätzlich Investoren gesucht und beteiligt werden, die jedoch keinen unkontrolliert großen Einfluss auf die Genossenschaft ausüben, oder diese gar übernehmen können

Solar … und weiter?

Die Sonne brennt mir mal wieder auf den Kopf und sie verbrennt mir nicht nur die Haut, sondern auch das Gras unter meinen Füßen, lässt die Bäume auf der Wiese bereits wie im Oktober aussehen (wir haben August) und die Avocado-Bäume vertrocknen. Ich höre Berichte von Waldbränden im Elb-Sandstein-Gebirge und mir kommen die Erinnerungen an 2021, als in Kanada ganze Dörfer niederbrannten und Rekordtemperaturen von über 42ºC erreicht wurden, nahe des nördlichen Sonnenwendekreises!

Was ich mir früher herbeigesehnt habe („Wann wird es endlich wieder Sommer?“) und deswegen auch in den Süden von Deutschland gezogen bin, ist inzwischen zum Schreckgespenst geworden und auch mir wird die Hitze mitunter zu viel, sodass ich tagsüber gar nicht mehr aus dem Haus möchte. „Das hat es früher auch schon gegeben“ höre ich manche sagen, doch sie irren, denn in diesem Ausmaß und in dieser Geschwindigkeit hat sich die Erde noch nie erwärmt und wir stehen erst am Beginn einer neuen Klimaphase. Was wir jetzt an Klimaveränderungen erleben, ist das Resultat vom Raubbau an Kohle und Holz und dem verschwenderischen Umgang mit dem billigen Öl, der vor 60-100 Jahren so selbstverständlich wurde wie heute der Flug nach Malle oder der Camping-Bulli als zweit- oder Drittauto; das Motorrad steht ja auch noch in der Garage. Und es ist seitdem nicht weniger geworden, sondern mehr, was der Mensch – ich genauso wie mein Nachbar und viele meiner Freunde – an Energie verbrauchen.

Früher wurden Kriege um Erdöl und andere Rohstoffe geführt, die nächsten Kriege werden wegen Trinkwasser und Nahrungsmitteln angezettelt werden. Putin will nicht die ukrainische Bevölkerung ins russische Reich einverleiben; nein, ihm geht es nur um das fruchtbare Land.

Das klingt ja schrecklich wird jetzt manche/r denken und diese Aussichten sind in der Tat nicht gerade erheiternd. Doch es steckt auche eine Chance in dem ganzen Szenario, das auf uns zukommt: wir werden gezwungen umzudenken. Und zwar radikal.
Was der Club of Rome seit den 80-er Jahren schon als „die Grenzen des Wachstums“ bezeichnete und seither bekannt aber kaum beachtet wurde, brennt uns jetzt buchstäblich unter den Nägeln.

Es mag jetzt zynisch klingen, aber der Gaspreis ist noch viel zu niedrig. Warum? Weil uns erst der Blick in den Geldbeutel zum Umdenken bringt – mich genauso wie viele andere auch. Die kWh Gas kostet nur einen Bruchteil des Strompreises, auch der inzwischen günstigsten Energieformen, nämlich der erneuerbaren Energien wie Wasser-, Wind- und Sonnenenergie. Und solange es günstiger ist, das Gas aus dem russischen Permafrostboden, aus Katar oder dem durch Fracking vollkommen verseuchten nordamerikanischen Ölschiefergebirgen zu beziehen, werden wir nicht umdenken. Hier wird, so fürchte ich, noch so manches Jahr ins Land gehen und noch viele diese Landschaften auf unbestimmte Zeit unbewohnbar werden.

Kann ich da überhaupt noch etwas ändern?

Die Antwort lautet definitiv: Ja !!!

Angefangen beim bewussten Umgang mit Energie und Rohstoffen, Recycling von Rohstoffen, Upcycling von gebrauchten Gegenständen (Reparatur statt Neukauf), Umstellen auf eine nachhaltige und gesündere Ernährung … das alles ist bereits seit langem in den Medien und hören wir allenthalben. Doch wie das alles bezahlen? Ist BIO überhaupt erschwinglich und der Gaspreis geht ja auch durch die Decke!?! Ja, denn da sind die fossilen Brennstoffe auf Dauer auch preislich anzusiedeln, genauso wie die Kosten zur (End-) Lagerung des atomaren Abfalls aus Kernkraftwerken.

Eine Möglichkeit ist – wenn nicht der goldene Weg überhaupt – die dezentrale Energieerzeugung und zwar auf jedem Hausdach, jeder Scheune und jedem Industriegebäude. Die Stromerzeugung mittels Photovoltaik (Solarzellen) oder die Warmwassergewinnung durch Solarthermie (Warmwasser) vom eigenen Dach (oder dem des Nachbarn) ist eine Möglichkeit, etwas selbst zu tun. Und zwar HIER und JETZT!

Die dunklen Stellen auf den Hausdächern werden immer mehr — und das ist gut so. Denn alles was wir an Energie verbrauchen wird entweder aus dem fossilen Energiespeicher der Erde, der sich über Jahrmillionen aufgebaut hat entnommen (von ein paar Thermalquellen mal abgesehen) oder aber aus dem erzeugt, was durch die Sonnenenergie auf die Erde strahlt. Alle Nahrung die wir zu uns nehmen, alles Leben, verdankt seine Existenz der Sonnenenergie und davon ist genug da: ca. das 10.000-fache an Energie, was wir im Jahr weltweit verbrauchen scheint als Sonnenstrahlen auf die Erde. Wir dürfen sie weiterhin nutzen und wir sollten es auch.

Mit Corona durchs Digi-Tal

Eindrücke von einer Reise vom Informations-Gebirge in den Daten-Dschungel

Alle reden vom Home-Office, jeder will mobil arbeiten und den Unterschied von beidem kennen die wenigsten – egal. Der Küchentisch wird zum Ersatz-Büro, der Hobbykeller zur Schreibwerkstatt und das leerstehende Kinderzimmer zum zoom®/Jitsi/FaceTime®/Meet -Konferenzraum umfunktioniert. Wäre doch gelacht, wenn das nicht möglich sein sollte. Bin ich jetzt wirklich im Home-Office angelangt, und wie fühlt sich die Virtualität in Wirklichkeit an? Dem will ich hier auf den Grund gehen.

Früher bin ich oft zur Arbeit geradelt oder, wenn es mal richtig fieses Wetter war, mit dem Bus oder dem Auto gefahren. Naja, meist mit dem Auto. Das war zwar oft auf den letzten Drücker, aber es ging raus … durch die Haustüre und hinunter auf die Straße, hinein in den Blechwahnsinn auf 4 Rädern. Radio an und schon wusste ich, wie gut ich heute drauf bin: gut gelaunt genieße ich jede Musik die mir entgegenbrüllt, doch bei schlechter Stimmung suche ich gleich einen anderen Sender und vertreibe mir die Gedanken mit den Nachrichten aus anderen Ländern: 43 Tote bei Grubenunglück in Indien und die Ukranine ist auch nicht mehr sicher (Anm.: dieser Text ist von Mai ’21). Da freue ich mich doch gleich viel mehr über meine stupide Arbeit, den impulsiven Chef und vergesse gerne, dass ich seit Tagen, ach was, seit Wochen mit einer wichtigen Aufgabe kein Stück weiter gekommen bin. Immerhin: der Kaffe aus dem neuen Vollautomaten ist Spitze und die Decke des neuen Firmengebäudes wird sicherlich nicht einstürzen – im Gegensatz zu den Bergwerksstollen der unterbezahlten und ausgebeuteten Grubenkumpels im Hindukusch – ach ne, da hocken ja die Bundeswehrsoldaten und haben Angst, dass ihnen jederzeit eine Bombe der Taliban um die Ohren fliegen kann. Mensch, da hab ich es doch super hier!

Nun, das war einmal. Inzwischen genügt es, um 7:30 Uhr aus dem Bett zu fallen, im Halbschlaf den Kaffee aufzusetzen – wo war nochmal die Taste für den Café Créma? Ach, das war ja in der Firma – und dann kurz kalt durch’s Gesicht waschen, bürsten und ein halbwegs ordentliches Hemd anziehen. Im Video-Meeting sieht niemand, dass ich noch in meiner Jogginghose herumlaufe und zwei verschiedene Socken trage. Nun noch schnell das Ach-was-bin-ich-doch-froh-im-Home-Office-arbeiten-zu-dürfen-Gesicht aufsetzen und hinein ins erste Meeting des Tages … was, wie, niemand da? Ach so, heute ist ja Samstag. Das habe ich schon ganz vergessen. Denn seit Corono ist ein Tag fast wie der andere und bei den Ausgangs-Beschränkungen brauche ich mir für das Wochenende eh nichts mehr vorzunehmen auf das ich mich freuen könnte. Schöne Neue Welt!

Auf dem Weg vom Possibly-Täter zum Possibilitator

oder: vom unbewussten Tun zum bewussten Tun und Lassen

Du wirst Dich fragen, was ein Possibilitäter ist … und da bist Du nicht alleine. Die Umschreibung eines Begriffs ist eine Sache, das Ausfüllen und Leben eine andere. Ich möchte Dich mitnehmen auf eine Reise – meine Reise – die sicherlich vor vielen Jahrzehnten, bewusst jedoch erst im Frühjahr 2019 begann, als ich das Potential des Possibility Management für mich entdeckte.

Anmerkung: Ich werde die hier verwendeten Begriffe aus dem „Possibility Management“ nicht weiter erklären, es sei denn, es ist der Sinn eines Abschnitts, zu der Bedeutung eines Begriffs hinzuführen. Weiterhin möchte keine Allgemein-Plätzchen backen und auch nicht der Erklärbär für Begriffe und Definitionen aus dem Possibility Management sein – das haben andere bereits getan und das soll so bleiben. Was ich hier beschreiben möchte sind meine persönlichen Erfahrungen und Bewusstwerdungsprozesse. Diese mögen für mich zutreffen und für jemand anderen nicht Wichtig ist, dass sie landen bei Dir, der Du dies liest und anregen zum eigenen Denken, zum Bewustwerden über das, was in Dir ist, Dich (bisher) kalt lässt oder bereits bewegt und was Dir (bisher) fremd war oder vielleicht auch immer be-fremd-lich sein wird. Gedanken schaffen Worte, Worte werden Taten und Taten bewegen die Welt. Was möglich ist, ist wichtig, und dass es bewusst gedacht, gesagt und getan oder nicht getan wird.

Ich habe einen Glaubenssatz, der mich seit langem begleitet und der mich zu mehr oder weniger bewusstem Handeln verleitet. Handeln, welches für mich oft nicht mit diesem Glaubenssatz in Zusammenhang stand:

Ich möchte möglichst viele Möglichkeiten haben. Das ist meine (Definition von) Freiheit und diese Freiheit ist mir wichtig.

(Einer meiner Glaubenssätze)

Nun wird mir bewusst, was solch ein Glaubenssatz bedeutet, oder genauer: wo er überall wirkt und – oft unbewusst – dazwischenfunkt, hineingrätscht, mein Denken und (Nicht-)Tun beeinflusst und vor allem: wo er mir nutzt, wovor er mich beschützt, ablenkt, bewahrt, eingrenzt. Daher frage mich immer wieder ganz bewusst: Was tue ich hier eigentlich und was lasse ich bewusst sein?!

Und da ist ja nicht nur dieser eine Glaubenssatz – ich habe derer viele. Einige davon sind mir bewusst, ja, ich spreche sie sogar anderen Menschen gegenüber aus und habe ein Gefühl der Erhabenheit, weil ich diesen Satz für mich entdeckt habe, ihn selbst formuliert, verfeinert und verinnerlicht habe. Doch bin ich mir eigentlich bewusst, was das für mich, für mein Leben, für meine Beziehungen, meinen Umgang mit anderen Menschen, Lebewesen, Dingen, meine Sicht auf die Welt bedeutet?

Es ist nicht möglich, sagten alle. Und dann kam einer, der wusste das nicht und hat es einfach getan.

(überliefertes Sprichwort)

Doch nun der Reihe nach und nicht alles auf einmal …

Es sind oft Schicksalsschläge (wie der Verlust eines geliebten Menschen) oder besondere Momente und Entscheidungen (wie die Hochzeit und dann der Fortgang eines guten Freundes) die uns prägen und in Erinnerung bleiben. Solche Momente sind nichts ungewöhnliches (viele Menschen heiraten und sterben tun wir alle einmal) und doch haben wir oft daran zu knabbern, fühlen uns ungerecht behandelt oder vom Schicksal betrogen. Egal wie man es ausdrückt oder welche Bezeichnung ich noch wähle, diese Momente haben eines gemeinsam: ich fühle mich dabei als „Opfer“ denn „mit mir geschehen“ diese Dinge. Ich habe sie nicht gewollt, nicht veranlasst und nicht herbeigesehnt. Und dabei ist mir nicht bewusst, welche Haltung ich einnehme. Warum sehe ich mich als „Opfer“ und den anderen bzw. das Schicksal als Täter und habe den Eindruck, dass etwas mit mir geschieht und ich kein Mitspracherecht habe, nicht mit entscheiden kann, was passiert?

Genau da möchte ich ansetzen, denn was da „mit mir“ passiert wird immer wieder passieren: Geburten, Hochzeiten, Todesfälle: Veränderungen die mich betreffen oder betroffen machen, von denen ich eigentlich weiß und es doch irgendwie „nicht wahr haben“ möchte und die ich gerne herauszögere oder gar ungeschehen machen möchte. Aber warum eigentlich?

Was hindert mich zu sagen: ich wusste, dass das passiert und ich werde damit klar kommen. Oder noch weiter gedacht: Es ist doch klar, dass ich eines Tages sterben werde und (wahrscheinlich vor mir) meine Eltern. Daher werde ich lernen, damit umzugehen und mich darauf einrichten. Und noch weiter gedacht: Ich weiß, dass diese Dinge kommen, denn sie gehören zum Leben und machen das Leben lebendiger. Ich denke nicht nur darüber nach, sondern rede offen darüber, schreibe mir wichtiges auf und gehe aktiv damit um. Was heißt dies konkret: ich gehe bewusst um mit dem Leben und treffe Entscheidungen. Ich nehme Veränderungen nicht nur an, sondern ich gestalte sie mit. Ich erwache aus meinem Dornröschenschlaf und warte nicht länger auf den Prinzen. Ich bin der Prinz! Ich bin der, der entscheidet, wenn die 100 Jahre vorbei sind. Ich bin bewusst und verantwortlich. Ich bestimme mein Sein und mein Handeln.

Das bedeutet nicht, dass ich nun Gott spiele und ab jetzt alles nach meiner Nase tanzt, dass ich allwissend oder allmächtig bin und mich nichts erschüttern kann. Es bedeutet, dass ich aus der Haltung des Opfers herauskomme und Verantwortung für mein Denken (und auch mein Handeln) übernehme, dass ich bewusst (er)lebe und Schöpfer (m)einer Welt bin, so wie ich sie wahrnehme. Denn es ist meine Wahrnehmung die sich als erstes ändert und an der nur ich etwas ändern kann.

Was bewirkt diese Änderung meiner Einstellung? Sie ändert meine Wahrnehmung von der Welt und damit meine Welt. Sie ändert meine Haltung gegenüber dem, was ich erlebe, was ich entscheide und was ich zu tun bereit bin (oder auch nicht bereit bin). Ich werde zum Handelnden – zum Manager meiner Möglichkeiten – also zu dem, der von den Dingen weiß und eine Ahnung bekommt, was möglich ist. Ich werde zum Möglichkeiten-Manager – engl. „Possibilitator“ (im Sprachgebrauch des Possibility-Management).

Was hier so einfach und schnell erklärt klingt ist ein langer Prozess, der irgendwann seinen Anfang nimmt: für machen mit Ende der Pubertät oder in der Midlife-Crisis, für andere mit 50 und für manche nie. Nur enden wird dieser Prozess nie, denn hier gilt: Der bewusste Weg ist das Ziel und wirkliches Bewusstsein lässt sich nicht zurücknehmen.

Eine immer wiederkehrende Entscheidung

Es gibt viele Lebenshelfer und Ratgeber und jeder schreibt etwas anders, liest sich mal flott und mal beschwerlich und doch sagen sie alle mehr oder weniger das gleiche:

  • Ändere Dein Leben!
  • Nimm Dein Leben in die Hand!
  • Sei Deines Glückes Schmied!
  • Lebe anders, lebe bewusst!
  • Sei kein Frosch, trau Dir etwas zu!
    … und so weiter …

Und was bedeutet das? Ändere Dein Leben kann vieles bedeuten: sei kein Opfer mehr, werde zum Täter. Unterdrücke die, die Dich zu unterdrücken versuchen. Schlage zurück, oder besser noch: schlage zuerst zu! Macht kaputt was Euch kaputt macht. Und was soll sich da graduell ändern? Ich bleibe im niederen Drama, in dem berühmten Drama-Dreieck aus Opfer, Täter und Retter (nach Dr. Karpman), wobei ich eine der 3 Rollen des Opfers, Retters/Helfers oder Täters einnehme. Dabei kann ich vom Opfer zum Täter oder zum Helfer werden (oder umgekehrt) oder auch alle Rollen nacheinander durchspielen. Wirklich ändern tut sich nichts, denn solange ich im niederen Drama verharre, beteilige ich mich am Theater das gespielt wird und bestimme vielleicht noch, welche Rolle ich spiele, werde vielleicht sogar zum Dramaturg oder Regisseur. Doch niemals ändere ich den Spielplan oder gar die Perspektive. Ich werde weder zum Zuschauer/Unbeteiligten, noch beeinflusse ich das Grundprinzip des Dramas. Ich bin und bleibe ein Teil des Stücks das ich mitspiele.

Raus aus dem Niederen Drama

Doch warum sollte ich da auch heraus wollen? Und was gibt es denn noch an Alternativen? Einen Tod muss ich doch sterben und wenn schon einer leiden muss, dann doch bitte ein anderer und nicht ich … und da war doch noch was mit den Möglichkeiten: wenn ich die Möglichkeit habe, mir meine Rolle selbst auszusuchen, dann habe ich doch alle Freiheiten, oder nicht?!?

Diese Sichtweise, Du ahnst es schon, ist auch die meine gewesen. Ich fühlte mich als Opfer und habe irgendwann beschlossen, nicht mehr Opfer sein zu wollen. Also wurde ich zum Retter, denn der Täter wollte ich nicht sein. Ich entschied mich dafür, mich für andere einzusetzen (und das schon ganz früh, in meiner Jugend als wir in der Schule um Rechte und Anerkennung unseres Abiturs in ganz Deutschland demonstrierten oder in der Südafrika-Aktionsgruppe um gegen Apartheid und Unterdrückung zu kämpfen oder bei Greenpeace, in der Anti-Atomkraft-Bewegung, als aktiver Pazifist bei den Anti-Golfkriegs-Demos und so weiter) und tat das auch. Doch meine Einstellung war immer die gleiche: hier ist das Opfer (wenn nicht ich, dann die unterdrückten „Schwarzen“, die Natur, die Kriegsopfer, die …) und ich bin der Retter um gegen die bösen Täter etwas zu unternehmen. Und sie ist es noch immer, zumindest teilweise, denn was ich 45 Jahre lang gelebt habe, das lege ich nicht wie einen Schlafanzug eines schönen Morgens zur Seite und bin von jetzt an ein neuer Mensch.

Doch etwas hat sich geändert: meine Sicht auf diese Dinge. Nicht, dass ich die oben angesprochenen Themen wie die Ungleichheit bei Schulabschlüssen, die Apartheid im südlichen Afrika oder die um Öl und in Zukunft um Wasser geführten Kriege anders bewerte. Nein! Ich sehe mich nicht mehr als Opfer, denn ich habe Möglichkeiten. Es gibt immer mehrere Möglichkeiten (das Wort „alternativlos“ wird in meinem Sprachgebrauch hoffentlich keinen Platz bekommen, außer in seiner Widerlegung).

Go!